Donnerstag, 1. Mai 2014

Die revolutionäre 1. Mai-Demo in Hamburg

Im Vorfeld wurde viel diskutiert.
Würde die "revolutionäre Linke" Hamburgs am ersten Mai 2014 um 18:00 Uhr ihre lautstarke Positionierung gegen Nationalismus, Imperialismus, Krieg,  Ausbeutung und Unterdrückung ausdrücken können, d.h. das ganze Sammelsurium linken Denkens also, welches leider niemals an Aktualität einbüßt deutlich (d.h. zahlreich) kritisieren können? 
Würde der Neue "Oberbulle" in Hamburg  Augenmaß beweisen oder sich wie befürchtet als harter Hund aufspielen? Würden die Autonomen zu einem Waffenstillstand bereit sein?

Nun, dachte ich, es würde nicht schaden, sich selbst ein Bild der Ereignisse zu machen, gerade im Bezug auf die kontroverse Berichterstattung kurz vor Weihnachten, als das Geschehen im Schanzenviertel und auf dem Kiez bekanntlich ja in der Errichtung eines "Gefahrengebietes" und anschließenden, täglichen Demos nach Neujahr endete.



An diesem nicht heissen und nicht nassen ersten Mai setzt sich der Demozug um ca. 18:40 Uhr in Bewegung und wird nach ca 20 Minuten kurz vor dem Abbiegen auf die Reeperbahn gestoppt.
Es heißt später von der Polizeiführung, Flaschen seien geworfen worden, die Demonstranten vermuten allerdings, es wäre von vornherein beabsichtigt worden, den Demozug nicht auf den Kiez zu lassen, aus Angst, dass die Menge in Richtung Davidswache maschieren würde und diese symbolische Position kompromittiert werden könnte (ja, die "kriegsberichterstattende"  Formulierung ist beabsichtigt, denn Deutschland wird ja nicht nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch auf der Reeperbahn...)

Die Mopo berichtet von 2200 Demonstranten (1400 erwartet) und 1800 Polizisten,
ich berichte von drei Wasserwerfern, die sich bedrohlich vor den Demonstranten aufbauen.
Erst langsam, dann schneller - die Menge skandiert "hopp, hopp, Schweine im Gallopp" - schließen sich auch die Polizeiketten rechts und links der Demo. Und hinten.
Die Demo kommt vorn ins Stocken. Keiner hat Bock darauf gekesselt zu werden, Dutzende weichen aufs Heiligengeistfeld aus, von wo allerdings auch zwei Züge Polizisten  anrücken. Plötzlich fliegt ein ca 1,50 m, kleiner aber drahtiger Typ, schwarz vermummt und mit Sonnenbrille und Käppi (also absolut unwiedererkennbar), wie aus dem Nichts mit einem beidfüßigen Karatekick auf die kleinste Polizistin in der Reihe zu, rennt lachend zurück, als ob er ein ganz gewitzer Spitzbube sei. Absolut scheisse, zudem einige Spacken auch noch johlen. Kurz darauf geht's  nicht weiter - ein ebenfalls bunt Gekleideter berichtet empört von Flaschenwürfen der Demonstranten.






Dann, 40 min später wird, nach langem hin und her zwischen Einsatz- und Demoleitung verkündet, dass der Demozug in Richtung Glacischaussee umgeleitet wird. Es vergehen jedoch noch weitere Minuten mit weiteren Verletzten (es wird langsam kalt). Die Polizeilautsprecher herrschen die Demonstranten an, sie sollten sich nicht "wie Tiere" benehmen. Schließlich setzt sich die Demo wieder in Bewegung und läuft im Endeffekt erfolgreich einmal im Kreis zurück zum Startpunkt Feldstraße -- die Polizei will die Veranstaltung beenden, die U-Bahn hält dort - wie in Berlin auch -  nicht mehr.

Die Demostranten sind gerade wieder warm geworden, wollen weiter, zum Ursprungszielort Reeperbahn. Die "schwarzen" Polizistentrupps (die Fiesen) stehen vorn und blocken, kommen dann auch von hinten rechts. Lnks: zwar keine Polizeikette, aber eine 1-Meter hohe Steinmauer, darüber ein ca. 1,5 m hoher Bauzaun, dahinter: eine Baustelle (ehemaliger Toom-Markt)- Plötzlich erfolgt ein ruckartiger Einbruch der Polizisten von rechts in die Menge, 20 schwarzgekleidete -Autonome wie Polizisten- liegen, wie beim American Football, übereinander. Die Masse weicht panisch vor den Knüppeln der anderen Polizisten zurück, wird immer enger gedrängt und schließlich an die Mauer gedrückt. Voller Angst klettern die Menschen hoch, um nicht zerquescht zu werden, der Zaun wird niedergerissen. Wow, Polizei, was habt ihr euch dabei nur gedacht?!?!?!??!?!  "Duisburg" sicher nicht!! Wahrscheinlich wart ihr zu schwarz angezogen um irgendwas zu peilen -- da bestand für viele Unbeteiligte, größtenteils friedliche Demonstranten Lebensgefahr, liebe Einsatzleitung!!!! Was nun folgte ist symptomatisch für die Folgen einer solchen Dummheit: da die Baustelle (ein Rohbau steht schon, aber noch ohne Fenster) über eine Menge Mörtel und fette Brocken verfügte, flogen kurz darauf auch Steine.
Bin ich absolut kein Fan von, denn die größte Angst besteht bei mir  darin als Unbeteiligter eben davon  getroffen zu werden, während ich meine Haut vor dermaßen sinnloser Gewalt rette - Knüppel haben - immerhin - nur eine gewisse, kürzere Reichweite.

Um es kurz zu machen: der polizistische Move, die Demo auf die Baustelle abzudrängen hatte im Endeffekt  den durchaus rückschlagenden Effekt, dass die Polizistenketten durchbrochen wurden und die Demo noch "heim" in den Florabereich ziehen konnte, von wo ich, in partnerschaftlicher Notwehr Fußmassagen versprechend, die Grenzen des Gefahrengebietes abschritt und, schließlich in einem deutlich ruhigeren Stadtviertel angekommen, darüber grübelte, wo genau die Grenze der Satuiertheit in den Köpfen der Menschen wohl verlaufe, es kann doch nicht nur am Portemonaie liegen? 

Mein Fazit: der schwarze Block hat provoziert, die Polizei hat provoziert, es waren ca. ein Drittel mehr Leute als erwartet da - und zwar friedliche, bunte, wie schon im Dezember - (!), das Demoziel der Route wurde allerdings nicht erreicht, wie schon im Dezember - aber die Demonstranten können einen moralischen Sieg verbuchen -- wie schon im Dezember.
Der Kampf geht weiter, ebenso die innerlinke Diskussion, wie man deutliche Mobilisierung gegen "Alltagsrassimus" und "Nato-Faschisten" ummünzen und weiter ausbauen kann.

Die Linke jedenfalls ist noch quicklebendig, wenn auch teilweise noch nicht erwachsen (immer diese dummen Kinder, die sich aufspielen wollen und das auch noch gegen die Schwächsten der Gegenseite).

Zu denken gibt allerdings  eine sehr düstere Vorahnung, die aus dem Demowagen verkündet wurde, während der gerade umgeleitete Zug in Sichtweite des Untersuchungsgefängnisses kam: dass nämlich die  Polizisten die anwesenden Revolutionäre wohl bald zu erschießen hätten, wenn sie sich von der sich radikalisierenden Obrigkeit weiter so instrumentalisieren ließen. So sehr ich mir wünsche, dass es dazu nicht kommt, so nachdenklich und bleibend war aber mein Eindruck. Sagt nicht, ihr hättet von nichts gewußt. Nie wieder.

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