Zumindest kann er dann einen Abschluß vorweisen, denn in Deutschland zählen - mehr als anderswo noch - natürlich die Dokumente, das weiß er - und er weiß, dass die Bank das weiß.
Merkwürdigerweise spielt er aber ungern mit dem Gedanken, selbst die Quelle seiner Geschichtsschreibung zu werden, d.h. aktiv zu sein. Wahrscheinlich misstraut er sich selbst zu sehr dabei auch objektiv zu bleiben.
Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass er nicht idealistisch genug sein mag, um den Unterschied zwischen (un)möglichem Chaos und positiv-progressivem Beispiel durch die eigene Präsenz mit herauszuarbeiten.
Obschon er nicht per se unpolitisch ist, geht er lieber ins Kasino und verspielt Geld, das er nicht hat (obwohl er laut eigener Aussage fast immer zumindest ein wenig gewinnt), während ein paar hundert Meter weiter ein paar Hunderschaften ein paar hundert andere Menschen - jene nämlich, die gegen Unterdrückung und Ausbeutung, gegen die hiesigen Oligarchen und deren Handlanger demonstrieren, kurz: gegen all das was in den gleichgeschalteten Medien nicht vorkommt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf - an die Wand
Er will lieber nicht auffallen, für nichts einstehen was er ja eigentlich auch nicht befürwortet, denn aus seiner Sicht läuft alles noch halbwegs gut. Er ist Beispiel für die schweigende Mehrheit: Ursache und Symptom zugleich, warum es so rinnen kann, wie es gerinnt.
Lebensmittelkonzerne unter sich
Er wird in diesem, vor lauter Mittelmäßigkeit und Konsumzombies prosperierenden Land eine Zukunft haben, denn es braucht Leute seines Schlages - Geschichtsschreiber, deren mehr oder weniger kritische Distanz zu den Geschehnissen durch einen Berg Schulden über Jahre gewährleistet ist; die bereit sind sich anzupassen und, obwohl sie -gottseidank- nicht wirklich jemanden oder etwas hassen, dies dennoch -fahrlässig- anderen überlassen.
Er käme nicht auf die Idee, dass wenn es mehr Rechtschaffende gäbe, die "für die Sache" einstehen würden, die Möglichkeit die Dinge friedlich und gerecht, ohne Hass, neu zu regeln, wachsen würde.
Er ist -präventiv- wohl zu sehr Zyniker, zu sehr abhängig von einem System, das Geschichte nur als Butter auf dem Brott, glattgestrichen und fettarm serviert bekommen will, von glücklichen Kühen schonend ermolken.
Alles ist gut, hier gibt es nichts zu sehen, gehen sie weiter, die Veranstaltung ist beendet.
Schreiben sie dies und jenes auf und dann raus hier. Wir prüfen das übrigens nach.
Er ahnt, aber will die Enge der Ställe nicht sehen, die Gülle nicht riechen, die gemarterten, stumpfsinnigen, überzüchteten, genmanipulierten Industrieprodukte, die Ware, den Profit, die Knechte und Mägde - die historische Kontinuität nicht wahrhaben.
Das hätte ja eventuell zur Folge, selbst aus dem Kokon der Ohnmacht ausbrechen zu wollen - und genau das kann er sich nicht leisten, die Bank will ja ihre Raten pünktlich auf den Tisch haben und das familiäre Umfeld erwartet Erfolge.
Ich habe ihn einmal gefragt, ob ein verantwortungsbewußter Historiker nicht in erster Linie Journalist, in zweiter Linie Soziologe und in dritter Linie Politiker sein müsse.
Ich erinnere mich leider an keine Antwort. Ein guter Historiker bin ich wohl nicht.
Ein guter Freund ist er trotzdem.
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