Donnerstag, 12. Juni 2014

Im Osten nichts Neues?


Einige Zeit ist seit meinem letzten Blogeintrag vergangen, dies sei dem Sommer geschuldet, der auch vor Hamburg nicht halt macht.

Was ist seit der Europawahl passiert? Das Ukraine-Thema wird in den Massenmedien konsequent runtergespielt, seitdem dort offener Krieg herrscht, Slaviansk zum Falludscha und gleichzeitig der schokobraune Oligarch als friedliebende Heilsgestalt stilisiert wird (das ist das einzige, was man darüber noch lesen kann - abgesehen von den andauernden "Forderungen" an Putin und den Neustationierungen der Nato-Truppen im Osten).

Dass eben diese Heilsgestalt, Poroschenko, von Frieden redet, aber Krieg führt - er hat ein Kontingent von angeblich maximal 2000 Toten von seinen "koordinierenden" Verbündeten für die "Operationen" zugestanden bekommen - gipfelt darin, dass an einem Tag in allen großen Zeitungen berichtet wird, er würde eine "inklusive Strategie" verfolgen, Waffenstillstand und so weiter wollen, nur um am nächsten Tag - wenn überhaupt - in ganz kleinen Randnotizen von neuen, blutigen Kämpfen zu berichten. Widerlich!

Auf telepolis, wo, wie ich in meinem vorletzten Beitrag berichtete, Florian Rötzer relativ ausgewogen versucht hat über die Montagsdemobewegung und die ihr zugrundeliegenden sozio-historischen Prozesse zu berichten ("Montagsdemos unter Feuer"), hat sein Konterpart, Thomas Konicz, nun ebenfalls dort einen längeren Artikel verfasst, der sehr viele Kommentare hervorgerufen hat, "Gemeinsam gegen Rothschild?"

Konizc, der wie mir scheint der dogmatischen, tendenziell antideutschen "Alt-Linken" zuzuschreiben ist, kritisiert darin ziemlich verkrampft denjenigen Flügel der Linken, der, wie Dietmar Dehm zum Beispiel der Ansicht ist, die Bewegung den Rechten zu überlassen sei keine gute Idee und deshalb auch dort linke Inhalte zur Diskussion stellt - was ja nicht heisst, dass Dehm den Unterschied zwischen links und rechts als überkommen ansieht, wie sicher viele der dort Anwesenden.

Warum das nicht so ist, arbeitet Konicz am Ende seinen Artikels zwar halbwegs aus, aber eben erst am Ende - ohne Bezug zur politischen Dynamik. Stattdessen echauffiert er sich über verkürzte Kapitalismuskritik, bzw. warum die Verhältnisse nun einmal so sind, wie sie sind (dazu später mehr), "Charaktermasken" und ein revolutionäres Proletariat, das weggeschmolzen sei... blablablub.

Er, der Alt-Linke, kritisiert die, sich einer, wie er schreibt "trüben Masse" anbiedernden Alt-Linken, weil ja diese Masse mangels revolutionären Bewußtseins angeblich nicht den wahren, kritischen Kategorien der Alt-Linken folgen könne und überhaupt total manipulierbar wäre ("wenn erst mit der Masse ins Bett gegangen wird, verordnet ihr die Bild morgen die Todesstrafe wieder"). Was Florian Rötzers Analyse aufzeigte, nämlich, was die Linke, besonders die antideutsche Alt-Linke versäumt hatte zu diskutieren, weil es als vermeintlich "strukturell antisemitisch" galt: power-structure-research und konkrete Vermögens- und Interessensverteilung, fällt ihr nun auf die Füsse - aber die, die die Scherben zusammenkehren wollen, werden nun als Nestbeschmutzer beschimpft.

Es ist schon absurd, dass, um die theoretischen Luftschlösser erhalten zu können, unangenehme Fakten und Zusammenhänge in Vogel-Strauß-Manier ausgeblendet werden sollen. Das Brecht-Zitat, das den Grünen im Bundestag entgegengeworfen wurde, hatte durchaus seine - polemische - Berechtigung!

Dabei stimmt es natürlich: niemandem nützt es, wenn aufgrund von populistischen Bewegungen die "bösen Sündenböcke" ausgetauscht werden und am Ende die Systematik beibehalten wird, aber genauso wenig kann eine Dauerdiskussion der Systematik, ohne gleichzeitig die Player und ihren, durch exerzierte Strategien stetig wirkenden Einfluß zur Kenntnis nehmen zu wollen, jenen Wandel bringen, der nötig ist, um nachhaltige Veränderungen, sowohl der Systematik als auch ihrer Apologeten zu bewirken.

 Das hat der Herr Konicz scheinbar noch nicht verstanden und das ist wohl auch der Grund, warum sein Artikel so verkniffen wirkt.


 auch ergriffen verkniffen: Özil und Podolski - kein Fußball den Faschisten


Noch einmal zur Klarstellung: Ich denke, es ist eine gute Sache, wenn Leute wie Dietmar Dehm auf der Montagsdemo sprechen, damit die linke Perspektive dort auch Platz bekommt in einer Debatte, die natürlich nicht nur links ist, evtl. sogar strukturell neurechts, whatever. Aber wenn man bedenkt, dass es bei der Maidan-Bewegung, die die Grünen ja so toll finden/fanden,
eben linke Gruppen waren, die von Leuten vom rechten Sektor und von Swoboda vom Platz gejagt wurden,
die in Deutschland nun bei den Montagsdemos aber eingeladen sind zu sprechen, sieht man den Unterschied der zwei "Querfronten": die grün-braune ist autoritär und militaristisch, die rot-schwarze ist grundsätzlich inklusiv und pazifistisch.

Selbstverständlich kann man argumentieren, dies sei eben jenen Interessen der Mächte geschuldet, an deren Brüsten sie genährt werden (Nato/Russland), aber das greift meiner Ansicht nach zu kurz.
So wird Ideologie natürlich stets instrumentalisiert, um realpolitische Ziele zu erreichen, und das tut der Ideologie nie wirklich gut, weil sie damit - teils für Jahrzehnte - im Bewußtsein einer ihrerseits konträr ideologisch gelenkten Öffentlichkeit diskreditiert scheint, aber am Ende wird eben doch sichtbar,  wer wen (und wo) vom Platz gejagt oder aber willkommen geheißen hat. Das kann man nicht zerreden, das ist ein elementarer Kristallisationpunkt einer res publica - oder eben auch nicht.


 ...Prinz Poldi wäre bei den Grünen gut aufgehoben: 
vorne balla balla und hintenrum unwiderstehlich nachhaltig.

Man verstehe mich nicht falsch, ich wünschte mir, die undogmatische, emanzipatorische Linke wäre von allein stark genug die Veränderungen hervorzurufen, doch, um es mit Brecht zu sagen: "allein, die Verhältnisse - sie sind nicht so" - denn je mehr die etablierte "Linke", also die Grünen und der "Reformer"-Flügel der Partei Die Linke ins Bett der Macht krochen, desto mehr hat sich das Handlungsmoment des politische Spektrums in die "neue Mitte" verschoben. Der vermeintliche "Linksaußen"-Flügel sieht sich deshalb mit der strategischen Aufgabe konfrontiert, wie in einer Minderheitsregierung wechselnde Mehrheiten für zu haltene und/oder zu beziehende Standpunkte organisieren zu müssen.

Nur weil sich ein Spektrum verschiebt, heißt das auch das sich der eigene Standpunkt ändern muß? Ja und Nein. Ja: im Bezug auf Konicz - ansonsten findet man sich, wie er,  im Himmelsbett auf einem Elfenbeinturm wieder, während draußen fahrlässig Unrecht geduldet wird.

Nein: im Sinne Rötzers, da 1+1=2 bleibt, egal wer es sagt (nicht warum, das muss selbstverständlich stark diskutiert werden!) und da - sollte es aus fadenscheinigen Gründen ungesagt oder ungehört bleiben - sehr viel schwerwiegendere Konsequenzen drohen, auch und gerade für die eigene Sache.

"Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so"





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen